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Die versteckte Ursache von Nacken- und Beinschmerzen: Ein Fallbeispiel

Aktualisiert: 12. Juli 2023

Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum ihr plötzlich Nackenschmerzen habt, ohne zu wissen, woher sie kommen? Vielleicht habt ihr bereits den Arzt und Physiotherapeuten aufgesucht, Schmerzmittel eingenommen und Übungen gemacht, die jedoch keine signifikante Verbesserung brachten. In solchen Momenten kann man verzweifeln und sich fragen, ob das eigentliche Problem möglicherweise gar nicht im Nacken liegt. Der menschliche Körper ist ein komplexes System, und Schmerzen entstehen oft an anderen Stellen als dort, wo sie empfunden werden. In diesem Blogpost möchte ich anhand eines Fallbeispiels aus meiner Praxis verdeutlichen, wie weitreichend die Ursachen von Schmerzen sein können.


Mann mit Schulternackenschmerzen

Der Fall von Herrn G

Herr G, ein Mann Mitte 70, hatte vor 6 Monaten eine Herzoperation, die erfolgreich verlief. Er fühlt sich größtenteils belastbar, außer einer leichten Beeinträchtigung der Atemfunktion, was nach einer solchen Operation nicht ungewöhnlich ist. Jedoch klagt er seit der Operation über hartnäckige Schulternackenbeschwerden sowie Schmerzen und Missempfindungen an den äußeren Oberschenkeln. Obwohl ihm Schmerzmittel und lokale manuelle Therapie verschrieben wurden, zeigten diese Maßnahmen keine Wirkung. Er machte Rückenübungen und dehnte seine Beine, was vorübergehend Linderung brachte, jedoch nicht langfristig.

Die umfassende Untersuchung: Um das komplexe Schmerzbild von Herrn G zu verstehen, war es entscheidend, den Patienten als Ganzes zu betrachten und ihn umfassend kennenzulernen. Die Anamnese spielte dabei eine wichtige Rolle, bei der ich nach Vorerkrankungen, Schmerzen, privater Situation, Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten, psychischem Befinden, Organfunktionen, Hobbys, Medikamenteneinnahme und anderen Faktoren fragte. All diese Aspekte können Einfluss auf das Schmerzgeschehen im Körper haben.



Die relevanten Faktoren

Für Herrn G fasse ich die relevanten Faktoren kurz zusammen:

  • Schulternackenschmerzen

  • Schmerzen/Missempfindungen an den äußeren Oberschenkeln beidseits

  • Große Narbe am Brustbein aufgrund der Herzoperation

  • Leichte Atemproblematik

  • Blasenentleerungsstörung seit der Operation

  • Keine eindeutige Provozierbarkeit der Nacken- und Beinschmerzen bei der Untersuchung


Die ganzheitliche Hypothese

Der naheliegende Gedanke ist, dass die Schmerzursache dort liegt, wo die Schmerzen empfunden werden. Jedoch wäre es ungewöhnlich, dass eine Operation am Brustkorb zu Nacken- und Beinschmerzen führt. Ein möglicher Ansatzpunkt liegt im Zwerchfell, dem größten Atemmuskel, der sich kuppelförmig am unteren Rippenbogen erstreckt. Das Zwerchfell wird über den Nervus Phrenicus von den gleichen Segmenten versorgt, die auch den Nackenbereich (3.-5. Halswirbel) versorgen. Dadurch können Schmerzen im Nacken durch eine Beeinträchtigung des Zwerchfells entstehen.

Die Beziehung zu den Beinschmerzen: Die Beinschmerzen sind komplexer. Organische Probleme in den Beckenorganen können Missempfindungen, Schmerzen und Regulationsstörungen in den Beinen auslösen. Dies hängt mit der neuralen Verbindung zwischen den Beinen und den Organen zusammen. Zudem gibt es fasziale Verbindungen, die eine Rolle spielen könnten. In Herrn Gs Fall erwähnte er eine Blasenentleerungsstörung nach der Operation, die mit einer erhöhten Spannung der Bänder zusammenhängen könnte, an denen die Blase befestigt ist. Zufälligerweise entspringen wichtige Anteile dieser Bänder vom Zwerchfell und laufen über die Leber und den Bauchnabel zur Blase. Dadurch kann die Bewegung der Blase eingeschränkt sein. Informationen über eine Blasendysfunktion können über die Wirbelsäule zu Störungen in den Beinen führen.


Die Behandlung und Ergebnisse

Die Behandlung konzentrierte sich auf Entspannung und Mobilisierung des Zwerchfells sowie der Bänder, die vom Zwerchfell zur Blase und zum Brustbein führen. Die Behandlung war aufgrund von Herrn Gs Vorgeschichte sehr sanft. Bereits nach der ersten Behandlung waren die Symptome um etwa 90 % reduziert, und nach der zweiten Behandlung waren sie vollständig verschwunden. Interessanterweise wurden weder der Nacken noch die Beine behandelt, obwohl dort die Schmerzen lokalisiert waren.


Fazit

Dieses Fallbeispiel verdeutlicht, dass Schmerzen nicht immer dort entstehen, wo sie empfunden werden. Eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten kann dabei helfen, die Ursache von Schmerzen besser zu verstehen. Im Fall von Herrn G lag die Ursache seiner Nacken- und Beinschmerzen in einer Beeinträchtigung des Zwerchfells, das über komplexe Verbindungen zu anderen Körperregionen steht. Obwohl dieses Beispiel nicht auf alle Schmerzen übertragbar ist und nicht immer so schnell Ergebnisse erzielt werden können, zeigt es die Bedeutung einer präzisen Zuordnung der Symptomatik und eines systemischen Ansatzes bei der Schmerzbehandlung.

Ich wünsche euch einen schmerzfreien und gesunde Zeit.

Bis bald!


Euer

Johannes Lingen

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